Neugierde, Kreativität und Leidenschaft für aufstrebende Technologien


Interview mit Georgina Neitzel, Leiterin des ERGO Innovation Labs

Digitalisierung & Technologie, 13.05.2024

Innovation vereint drei Dinge: Neugierde, Kreativität und Technologie. All diese haben Georgina Neitzel, die neue Leiterin des Innovation Labs von ERGO in Berlin, schon immer fasziniert. Im Gespräch mit dem Kolumnisten Markus Sekulla sprach sie über das Potenzial von Unternehmen, ihr Geschäft durch die Nutzung von Trends und Innovationen zu steigern – natürlich mit dem Schwerpunkt auf dem aktuellen Megatrend Künstliche Intelligenz.

Merantix AI Campus

Das ERGO Innovation Lab residiert seit Kurzem auf dem Merantix AI Campus in Berlin. | Foto: Merantix AI Campus

Hallo Georgina, ein einfacher Einstieg: Wer bist Du?

Hi Markus, ich bin Georgina Neitzel und leite das ERGO Innovation Lab in Berlin, jetzt in meiner fünften Woche. Mein Hintergrund umfasst Innovationsmanagement, Produktmanagement und Datenwissenschaft. Was hat mich hierhergebracht? Vor allem meine Erfahrung im Innovationsmanagement in Verbindung mit einem technischen Skillset, ich kann also programmieren. Außerdem hat mich die Herausforderung gereizt, ein Innovation Lab zu leiten, nachdem ich fast sieben Jahre bei BCG Digital Ventures verbracht habe. Dort haben wir gemeinsam mit Unternehmenspartnern von der Konzeptentwicklung bis zur Inkubation von digitalen Ventures End-to-End-Digitalunternehmen entwickelt und dabei habe ich sowohl als Datenwissenschaftlerin als auch als Produktmanagerin fungiert.

Lass uns direkt in die Tiefe gehen und uns mit Innovationen beschäftigen. Was fasziniert Dich daran? Warum hast Du Dich für eine Karriere im Innovationsmanagement entschieden?

Es gibt eine kurze und eine lange Geschichte. Fangen wir mit der kurzen an. Ich bin von Natur aus sehr kreativ und gleichzeitig liebe ich Technologie. Als Kind habe ich viele bemerkenswerte technologische Fortschritte miterlebt, wie das Internet, den PC und das iPhone. Die Möglichkeit, sich mit neuen Technologien zu beschäftigen, hat mich immer fasziniert. Innovation vereint im Grunde genommen meine Neugierde, Kreativität und Leidenschaft für aufstrebende Technologien.

Georgina NeitzelUnd jetzt bin ich neugierig auf die lange Geschichte!

Zusätzlich spielte mein akademischer Werdegang eine wichtige Rolle. Ich habe Industrie- und Managementingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin studiert. Während dieser Zeit habe ich mich intensiv mit Statistik und maschinellem Lernen beschäftigt, lange bevor die Datenwissenschaft ihre aktuelle Bedeutung als „Sexiest Job of the 21st Century“ erlangte, wie von der Harvard Business Review festgestellt wurde. Meine Faszination für dieses Gebiet ist im Laufe der Zeit gewachsen. Die Evolution der künstlichen Intelligenz zu beobachten und die Entwicklung immer ausgefeilterer Algorithmen, die komplexe Probleme lösen können, fasziniert mich weiterhin. Diese Fortschritte in neue Produkte zu integrieren, reizt mich sehr.

Lass uns einen Schritt zurückgehen: Was macht das Innovation Lab Tag für Tag?

Wir konzentrieren uns auf drei Kernaktivitäten. Erstens überwachen wir ständig technologische und sozioökonomische Trends und analysieren, wie sich diese in Zukunft auf die ERGO auswirken könnten, und identifizieren potenzielle Anwendungsfälle, die beispielsweise zukünftige Kundenbedürfnisse adressieren. Dafür nutzen wir unser Netzwerk, einschließlich Technologieexperten aus Industrie und Wissenschaft. Zweitens bringen wir aktiv diese Technologien in die ERGO ein und entwickeln Produkte und Prototypen, die auf die erwarteten Bedürfnisse eingehen. Zum Beispiel haben wir kürzlich an Anwendungen im Metaverse gearbeitet, unserem neuesten Projekt. Unser Team fungiert als Projektmanager und arbeitet mit technologischen Freiberuflern zusammen, um diese Anwendungen zu entwickeln, zu testen und zu verbessern, und validiert dabei unsere Hypothesen über ihre Vorteile für unsere Projekte und Prozesse. Drittens führen wir Workshops durch, wie beispielsweise Design Thinking-Sitzungen, für das gesamte Unternehmen, mit dem Ziel, andere Abteilungen zu inspirieren. Darüber hinaus setzen wir uns für die Einführung neuer Tools ein, wie GenAI, die die Effektivität dieser Workshops verbessern.

Jedes große Unternehmen braucht ein Innovation Lab, oder?! Was ist der Schwerpunkt im Lab heute und in den nächsten Monaten? Konzentriert Ihr Euch auf bestimmte Technologien?

Derzeit sind wir in mehrere Projekte vertieft. Einer unserer Schwerpunkte liegt auf Robotik, nicht nur für interne Magazinartikel, sondern auch für potenzielle Publikationen von White Papers. Gleichzeitig verbessern wir unseren Technologiemonitoring-Funnel, um über aufkommende Trends informiert zu bleiben. Wir nutzen Technologien wie Generative KI, um diesen Prozess zu optimieren. Darüber hinaus haben wir kürzlich KI-unterstützte Design Thinking-Workshops eingeführt. 

In unserer letzten Session haben wir gezeigt, wie Kolleginnen und Kollegen Gen AI nutzen können, um den Design-Thinking-Prozess zu beschleunigen. Von der Synthese großer Datenmengen bis zur Erstellung von Personas und Interviewfragebögen, sogar zur Generierung von Prototypen und Mock-ups – Gen AI erleichtert verschiedene Aspekte des Prozesses. Darüber hinaus ermöglicht es die Simulation von Interviews mit Zielgruppen, die anderweitig nicht erreichbar wären, und bereichert so unsere Ideenfindung und Testphasen.

Wir sprechen im Mai 2024. Welche Trends siehst Du gerade als besonders wichtig an? 

Natürlich ist der wichtigste Megatrend, den ich (und gefühlt alle anderen) sehe, die Generative KI, die weitreichende Auswirkungen auf Branchen und Arbeitsbereiche hat. Insbesondere auf solche, die Desktop-Aufgaben umfassen. Die schnelle Entwicklung innovativer Anwendungen von Gen AI ist bemerkenswert, täglich kommen neue auf den Markt.

Ein möglicherweise unterschätzter Trend ist das Quantencomputing. Obwohl es derzeit möglicherweise noch nicht die volle Aufmerksamkeit erhält, ist es sicherlich auf meinem Radar. Obwohl Quantencomputing noch in den Kinderschuhen steckt und nur begrenzte Anwendungen hat, ist seine transformative Kraft immens. In den kommenden Jahren, wenn es an Fahrt gewinnt, können wir erwarten, dass es Branchen revolutioniert, indem es beispiellose Rechenkapazitäten bietet und Lösungen für bisher unlösbare Probleme ermöglicht. 

Wie entdeckt Dein Team neue Trends?

Wir nutzen verschiedene Quellen. Erstens greifen wir auf unsere großen Expert:innennetzwerke zurück, zu denen Technologie- und Innovationsexperten aus Wissenschaft und Industrie gehören. Wir profitieren auch sehr von unserem Standort auf dem Merantix AI-Campus, der Heimat anderer Technologieexpert:innen und innovativer KI-Start-ups ist. Natürlich besuchen wir auch Konferenzen, Meetups und kleinere Veranstaltungen, um über Branchentrends informiert zu bleiben und mit Kolleg:innen in Kontakt zu treten. Darüber hinaus verlassen wir uns auf Trendstudien, Papers und konsultieren Branchenberichte. Die wertvollste Informationsquelle ist meiner Meinung nach jedoch das Engagement in Gesprächen und Diskussionen mit Menschen - ihren Einblicken zuzuhören und Ideen mit Expert:innen auf Konferenzen auszutauschen.

Wenn ich eine Konferenz wählen müsste, die ich in den nächsten 12 Monaten besuchen soll, welche würdest Du mir empfehlen?

Ich würde mir das Tech Open Air hier in Berlin anschauen. Es ist eine fantastische, multidisziplinäre Konferenz mit einer lebendigen Atmosphäre, die wertvolle Einblicke und Networking-Möglichkeiten mit Tech-Enthusiast:innen, Unternehmer:innen, Innovator:innen und Investor:innen aus der ganzen Welt bietet. Außerdem findet sie im Sommer statt, was das Erlebnis rundum angenehm macht.

Da Du seit vielen Jahren mit Innovationen in verschiedenen Unternehmen arbeitest, fallen Dir Trends aus dem letzten Jahrzehnt ein, von denen Du erwartet hast, dass sie sich stark entwickeln, die dann aber nicht den Hype gerechtfertigt haben?

Ich liebe die Frage, Markus. Blockchain und NFTs!

Es gab einen immensen Hype um Blockchain-Technologien, und viele versuchten, Anwendungsfälle auf der Basis von Blockchain zu erzwingen, wo es nicht unbedingt notwendig war. Es wurde zu einem Buzzword, das oft unnötig verwendet wurde. Während Blockchain sich als effektiv erwiesen hat, um Transparenz und Sicherheit zu erhöhen, insbesondere in Anwendungen wie Smart Contracts, ist die Anwendbarkeit jenseits dieser spezifischen Anwendungsfälle begrenzt. Viele Anwendungen erfordern einfach keine Blockchain-Technologie, trotz des anfänglichen Enthusiasmus dafür.

Wie nutzt Dein Team Generative KI?


Eine wichtige Anwendung liegt im Trendmonitoring. Wir sammeln Informationen aus verschiedenen Quellen, einschließlich sozialer Medien, professioneller Netzwerke und Konferenzdiskussionen, um aufkommende Trends zu identifizieren. Gen AI unterstützt uns dabei, diese Daten zu aggregieren und wöchentliche Berichte zu erstellen, die die am meisten diskutierten Themen zusammenfassen. Dies beschleunigt den Prozess erheblich und ermöglicht es uns, uns stärker auf die Priorisierung von Trends und den fokussierten Austausch mit Experten zu konzentrieren.

Kannst Du uns einen Ausblick geben? Wohin wird uns KI deiner Meinung nach führen?

Ich glaube, KI wird zunehmend in unser tägliches Leben integriert werden und für jede:n allgegenwärtig sein. Wir sehen bereits KI-Anwendungen in Bereichen wie autonomes Fahren, Smart Cities und personalisierter Medizin, sowohl in der Forschung als auch in der praktischen Umsetzung. Entscheidend ist, was ich als KI-Ermächtigung bezeichne - Menschen zu schulen, KI effektiv als Werkzeug zur Verbesserung menschlicher Fähigkeiten einzusetzen, anstatt sich vor der Bedeutungslosigkeit zu fürchten.

Wir können den Fortschritt nicht aufhalten, aber wir können ihn verantwortungsbewusst lenken. KI als Werkzeug zur Ermächtigung anstatt zur Ausschließung anzunehmen, ist der Schlüssel. Es geht darum, die Kontrolle zurückzugewinnen und KI zu nutzen, um unser Leben zu bereichern, anstatt uns davon abseits zu fühlen.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

Interview: Markus Sekulla

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