Einfach, weil's wichtig ist.
Einfach, weil's wichtig ist.
Ratgeber, 2. Dezember 2024
Es passiert täglich: Der Paketbote klingelt, doch der Empfänger ist nicht zu Hause. Häufig nimmt dann ein freundlicher Nachbar die Sendung an. Doch ist das aus juristischer Sicht überhaupt erlaubt? Und welche Rechte haben Nachbar und Empfänger? Sabine Brandl, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH, beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Paketannahme durch Dritte. Außerdem erklärt sie, wer haftet, wenn das Paket beschädigt ist oder verloren geht.
Der Onlinehandel boomt, und viele Menschen lassen sich ihre Lieferungen bequem nach Hause senden. Trifft der Paketbote den Empfänger dort nicht an, gibt er die Sendung häufig beim Nachbarn ab – sofern dieser das Paket annimmt. Dieser Freundschaftsdienst ist allerdings kein Muss: „Ein Nachbar ist rechtlich nicht dazu verpflichtet, Pakete für andere anzunehmen“, erklärt Sabine Brandl, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH. „Sobald er das Paket aber entgegennimmt, ist er fortan dafür verantwortlich. Er muss sorgfältig damit umgehen, um es nicht zu beschädigen, und es dem rechtmäßigen Empfänger persönlich und in ordnungsgemäßem Zustand übergeben“, ergänzt die Expertin. Übrigens: Nachbarn dürfen dem eigentlichen Empfänger das Paket nicht einfach vor die Tür legen.
Wer bei einem gewerblichen Händler online etwas kauft, ist erst dann zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, wenn er selbst die Ware erhalten hat. Vorher hat der Händler den Vertrag nicht erfüllt. Kommt die Sendung in der Obhut des Nachbarn abhanden oder beschädigt dieser das Paket, können Käufer vom Händler ihr Geld zurückverlangen. Der Händler wiederum kann unter Umständen Schadensersatz vom Nachbarn fordern. „Weist die Verpackung schon bei der Zustellung sichtbare Beschädigungen auf, ist es für Nachbarn deshalb ratsam, die Annahme zu verweigern“, rät Brandl. Ist das Paket äußerlich unbeschädigt und stellt sich später heraus, dass die Ware im Paket defekt ist, haftet der Nachbar hingegen nicht. „Empfänger müssen sich in jedem Fall direkt an den Händler wenden“, so die ERGO Rechtsexpertin. Ob der Zustelldienst oder der Nachbar den Schaden verursacht hat, muss der Händler klären, nicht der Empfänger.
Bezüglich der Übergabe sind Paketdienste über eine Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtlich abgesichert: Diese erlaubt es ihnen, das Paket zum Beispiel einem Nachbarn zu übergeben, sofern keine andere Vereinbarung besteht. „Allerdings muss der Paketdienst den Empfänger darüber informieren, wo er das Paket abgegeben hat – zum Beispiel durch eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten“, betont Brandl. Der Zusteller darf die Lieferung nicht ohne vorherige Genehmigung des Empfängers einfach ins Treppenhaus oder den Garten stellen. „Im Schadenfall haftet der Händler. Dieser kann wiederum seinen Schaden beim Paketdienst geltend machen“, weiß die Rechtsexpertin. Anders verhält es sich bei einer sogenannten Abstellgenehmigung: Dabei legt der Empfänger einen Ort fest, an dem der Bote das Paket ablegen darf. Doch Vorsicht: „Ab diesem Zeitpunkt haftet der Händler nicht mehr, sofern der Zusteller den Kunden über den Abstellort informiert hat“, betont die ERGO Juristin. Verschwindet das Paket also nach Ablage im Garten des Empfängers, besteht in der Regel kein Erstattungsanspruch gegen den Händler.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann mit dem Paketdienst eine persönliche Zustellung vereinbaren. Gegen einen Aufpreis ist der Bote dann verpflichtet, das Paket nur der vorab festgelegten Person zu übergeben. Damit vermeiden Empfänger jegliches Risiko. „Viele Paketdienste bieten auch die Zustellung an Postfilialen an. Dort können Empfänger das Paket zu den Öffnungszeiten abholen. Bei einer Lieferung an eine Paketstation ist die Sendung sogar rund um die Uhr abholbereit“, so Brandl. Besonders praktisch ist das für Menschen, die tagsüber selten zu Hause sind und ihre Nachbarn nicht belasten wollen.
Kommt das Paket weder beim Empfänger noch beim Nachbarn an, haftet der gewerbliche Händler. Generell gelten Pakete nach 21 Tagen als verloren. „In diesem Fall sollte der Empfänger den Absender über die ausgebliebene Zustellung informieren, damit Ursache und Haftung geklärt werden können“, rät die Expertin. Der gewerbliche Händler ist dazu verpflichtet, den ursprünglichen Kaufpreis zurückzuerstatten. Bei einem privaten Absender ist dies anders: Der Empfänger trägt das Transportrisiko, sobald der Verkäufer die Ware an den Paketdienst übergeben hat, und muss den Inhalt bezahlen. Bei gewerblichen Händlern gilt außerdem: Fehlen bei einer Lieferung bestimmte Artikel, kann der Kunde innerhalb von 14 Tagen von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Dann muss er die gelieferten Artikel und der Händler das Geld wieder zurückgeben. Allerdings handelt es sich beim versehentlichen Verschicken von zu wenig Ware auch um einen ganz normalen Gewährleistungsfall. Der Kunde hat also einen Anspruch auf Nachlieferung. „Innerhalb des ersten Jahres ab Zustellung liegt die Beweislast dafür, dass die Lieferung vollständig war, beim Händler“, erklärt Brandl. Kann er dies nicht beweisen, muss er dem Kunden die fehlenden Teile nachliefern.