Einfach, weil's wichtig ist.
Einfach, weil's wichtig ist.
Digitalisierung & Technologie, 08. März 2023
Die 15- bis 25-Jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Generationen Z und Alpha verknüpfen analoge und digitale Lebenswelten in einer Art und Weise miteinander, wie es vorher keine andere Generation getan hat. ERGO CDO Mark Klein ist überzeugt, dass sich mit den jungen Nutzergruppen das Kundenverständnis eines hybriden Wechslers zwischen digital und analog noch einmal massiv verändern wird. ERGO entwickelt seine hybride Kundenansprache deshalb immer weiter.
Eines der Topthemen beim ERGO „Väter-Netzwerk“ – dessen Schirmherr ich bin – ist der richtige Umgang mit digitalen Endgeräten in Familien. Kein Handy am Essenstisch, Handy-Safe, handyfreie Tage und Wochenenden – ich kenne inzwischen viele Konzepte, mit denen man zu Hause mal gut fährt und dann wieder scheitert.
Mit Blick auf die Zukunft aber fürchte ich: Das Ringen um den richtigen Umgang wird nicht einfacher, ganz im Gegenteil. Wenn unsere Kinder erwachsen sind, wird sich die Rolle des digitalen Endgerätes noch einmal verändert haben. Statt Kommunikations- und Navigations-Werkzeug zu sein – wie ich das Handy noch einordne – wird es sich zu einer Art externem Organ auswachsen. Die Ausdrucksweise hinkt in vielerlei Hinsicht, mir fällt aber keine treffendere ein.
Das Handy wird noch mehr ein Teil von uns. Wenn unsere Kinder selbst Eltern sind, kommen sie eventuell nicht mehr auf die Idee, den Essenstisch zur digitalfreien Zone zu erklären. Weil man ein „Organ“ nicht einfach beiseitelegt. Es wird zu einem festen Bestandteil ihrer gelebten „Realität“.
In San Franzisco durfte ich vor kurzem Mojo Vision kennenlernen. Das Start-up hat eine intelligente Kontaktlinse gebaut. Mittels eingebautem Display bekommt der smarte Linsenträger Informationen direkt auf die Linse projiziert. Die Dimensionen verschmelzen. Ich blicke auf meine reale Umgebung und blende in diese via Augmented Reality Mehrwerte ein, die das Erlebte unterfüttern und erweitern.
Bei der Linse musste ich unweigerlich an Google Glass denken, die Datenbrille, die vor zehn Jahren floppte. Viele Experten, mit denen ich spreche, sind überzeugt, dass die Zeit des Computers vor den Augen kommt. Meta, das die erfolgreichen Oculus-VR-Serien produziert, will spätestens 2026 seinen „heiligen Gral“ (Mark Zuckerberg) präsentieren. Früher freuen können wir uns auf das VR-/AR-Headset von Apple. Die neuen Brillen sollen nicht nur kleiner sein als ihre wuchtigen Vorgänger und zum stylischen Accessoire auf der Nase werden. In ihnen sollen Virtual und Augmented Reality nahezu verschmelzen. Sie werden also nicht nur im Virtuellen abtauchen, sondern in ihrem eigenen Wohnzimmer einen ganzen Jurassic Park zum Leben erwecken können.
Ingenieure und Digitalisierer arbeiten also daran, das Versprechen zu erfüllen, das Google Glass einst gegeben hat. Der Computer in oder vor den Augen könnte das Smart-Phone ersetzen – und uns in die Lage versetzen, in Mixed Reality-Welten zu leben. Die Kernfrage ist nur: werden Menschen das auch nutzen? Vier Beweise für die Ja-Hypothese.
Lassen wir die Generationen Z und Alpha kurz außen vor – und schauen auf die Älteren. AR-Brillen sind bereits im Standardeinsatz bei Betreibern großer Industrieanlagen, die über die ganze Welt verteilt sind. Für die Remote Maintenance schalten sich Ingenieure aus der Ferne auf die Brille eines Technikers vor Ort. So können beide – quasi mit vier Augen – in die Maschine schauen, sich Baupläne und Videos einblenden – alles direkt an dem Ort, an dem die Musik spielt.
Oder schauen sie auf heutige Automodelle. In vielen Fahrzeugen werden bei der Fahrt einzelne Informationen direkt in der Windschutzscheibe – direkt in das Blickfeld des Fahrers – eingeblendet. Die Technologie dürfte noch deutlich smarter werden. Dann wird die vernetzte Wundschutzscheibe zum Bildschirm, der viele weitere Informationen einspielt. Eine Warnung „Falschfahrer voraus“ könnte Leben retten, wenn es just-in-time direkt in der Scheibe aufleuchtet.
All das ist bereits erweiterte Realität. Wie realistisch künstliche Wirklichkeiten in VR wirken können, lässt sich bei Youtube anschauen. „Richies Plank Experience“ ist ein Spiel, bei dem Sie mittels VR-Brille im obersten Stock eines Wolkenkratzers aus dem Fahrstuhl treten, unter sich den Abgrund sehen und noch einige Meter auf einem Stahlträger balancieren sollen. Es gibt lustige Videos von Menschen auf Wohnzimmer-Teppichen mit aufgesetzter VR-Brille, die vor Angst keinen Millimeter mehr weitergehen können. Wie wirkte das erst mit einer kombinierten AR-VR-Brille?
Während sich meine Generation immer noch fragt, warum das Internet dreidimensional erlebbar sein muss, spielt die Generation Alpha seine beliebtesten Videogames in diesen Welten. Fortnite, Minecraft oder Roblox – im Verhältnis zu den Gamern aller Altersklassen nutzen Jugendliche unter 20 Jahren die Pre-Metaverse-Spiele zu einem weit größeren Anteil. Mehr als 50 Prozent der Roblox-Spieler sind 13 oder jünger.
Internet in 3D ist per se noch keine Mixed Reality. Aber beim Blick ins „Metaverse“ wird deutlich, dass die Welten verschwimmen. Schon heute lässt sich in Form der Vorgängerausprägungen Decentraland und The Sandbox erahnen, was das virtuelle 3D-Universum kann.
Man betritt die Welt via Avatar (so wie bei Fortnite, Minecraft und Roblox auch). Und trifft auf andere Avatare, kann mit ihnen spielen, arbeiten, shoppen gehen oder einfach nur reden. Ihr Alter-Ego spricht mit Ihrer Stimme. Bzw. Sie sprechen ins Handy-Mikrofon und der Avatar bewegt synchron die Lippen. Hätten Sie Lust auf einen gemeinsamen, virtuellen Spaziergang mit echten Stimmen? Lassen Sie uns doch am Strand von Tel Aviv treffen. Dort hat es mir neulich (real) sehr gut gefallen. Der virtuelle Spaziergang ist schon heute problemlos möglich.
Lassen Sie uns noch kurz bei den Avataren bleiben. Ich finde es ungemein spannend, zu beobachten, wie Kinder 3D-Spiele spielen. Das Vorbereiten auf das eigentliche Game, das Kreieren des eigenen Avatars, hat mindestens die Wichtigkeit, wie die spätere Aktion selbst. Avatare sind nicht nur Funktionsträger wie die Spielfiguren bei „Mensch ärgere Dich nicht“. Sie sind selbst erschaffene, unverwechselbare Persönlichkeiten.
Man kann seinen Avatar mit Hilfe von „Skins“ verschieden aussehen lassen, ankleiden, ihnen Persönlichkeiten geben, sie ein Instrument spielen lassen und ihnen Superkräfte verleihen. Mode-Label, bei denen man sich Kleidung für Avatare kaufen kann? Gibt es längst, der deutsche Designer Philipp Plein ist so etwas wie ein Aushängeschild für das Thema. Und in „Fortnite“ ist bereits der (reale) Megastar Ariana Grande als Avatar aufgetreten. Ein Millionen-Avatar-Publikum tanzte und sang zusammen mit seinem Star. Ein Mega-Ereignis in der virtuellen Realität.
So entstehen verschmolzene Welten, die gehegt und gepflegt werden. Ist es da vollkommen absurd, wenn man irgendwann Grundstücke im Metaverse kaufen möchte? Was ist, wenn eine Stadt – nur – im Metaverse entsteht, die vollkommen angesagt ist? Wer rein will, muss jedoch zahlen oder gleich ein Grundstück in bester Lage erwerben. Halten Sie das für verrückt? Sie könnten richtig liegen. Oder aber die renommierte Bank Morgan Stanley, die im Metaverse einen 8-Billionen-Dollar-Markt sieht.
Sollten Ihnen Datenlinse und Metaverse-Stadt zu fantastisch sein, dann habe ich hier noch einen recht gegenwärtigen Beweis. Die Generation Z beim Shoppen – wer meint, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen kauften ausschließlich bei Zalando oder anderswo online, der irrt.
Präsenz-Stores haben für sie eine enorme Bedeutung, sie gehen gerne in einen physischen Laden. Das ist einigen sogar wichtiger als älteren Generationen. Allerdings kombiniert die Gen Z die Vorzüge von Offline- und Onlineshopping. All die Gen-Z-Boutiquen haben – wenn Sie so wollen – digitale Zwillinge als Social-Media-Stores. Dort kann man auch kaufen, vor allem aber mitverfolgen, was gerade angesagt ist. Angelegt sind sie nicht als bloße virtuelle Verkaufsregale, sondern als Fanshops. Und für das neueste Modell formieren sich dann Warteschlangen vor dem realen Geschäft.
Im Laden bleibt das Smartphone stets in der Hand. Die Zielgruppe legt großen Wert auf unterstützende Verkaufsinformationen, die direkt vor Ort konsumierbar sind. Ob die „Z´s“ die Ware kaufen oder nicht, entscheiden sie nicht unbedingt selbst. Noch in der Umkleide posten sie Storys und fragen so die Onlinecommunity, ob sie kaufen sollen. Das „Daumen hoch“ (oder runter) Feedback kommt umgehend. Die (Schleich-) Werbeempfehlung eines vertrauten Influencers zu kaufen, damit hat die Generation kaum Probleme. Wie gut könnten diese Shopper die Datenbrille vor Augen brauchen?
Meine „Beweise“ sind noch schwach, das gebe ich zu. Aber wir bei ERGO entwickeln unseren hybriden Kundenansatz weiter, hin zu Erlebniswelten, bei denen sich Mixturen aus realen und digitalen Welten überlagern, bis hin zu Influencern, um neue Kundengruppen anzusprechen. Auch das Metaverse wird aktuell erschlossen, um auch hier präsent zu sein.
Schon seit einigen Jahren unterscheiden wir Kunden und Kundinnen nicht mehr nach digitaler oder analoger Affinität. Wir nehmen sie so an, wie sie sind, als hybride Konsumenten von Waren und Versicherungsdienstleistungen. Je nach Bedürfnislage springen sie bei ihrer Kundenreise von einem zum anderen Kanal. „Hybrider Kunde“ nennen wir das Konzept und sehen, dass es auch bei Wettbewerbern immer mehr greift.
Wir tun gut daran, es weiterzuentwickeln, bauen VR-AR-Anwendungen und eröffnen schon bald unseren ersten ERGO Store im Metaverse. Denn niemand kann heute sagen, ob die angesagte, virtuelle Stadt, nicht irgendwann auch Versicherungsschutz braucht.
Text: Mark Klein, CDO ERGO Group AG
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