Digitalisierung & Technologie, 05. Juli 2024

Neue Horizonte – Versicherungen im Zeitalter des Metaverse

Ein Kommentar von ERGO CDO Mark Klein

ERGO CDO Mark Klein

Es ist eine der wohl größten Wetten auf die Zukunft, die wir aktuell sehen. Eine Entwicklung, die nahezu jeden Bereich unseres beruflichen und privaten Lebens revolutionieren wird. Und der bereits jetzt ein Billionenmarkt vorausgesagt wird. Die Rede ist vom Metaverse. Einem Zusammenschluss begehbarer, virtueller Welten, in der es keine räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen mehr geben soll. In dem sich Menschen mit ihren Avataren frei bewegen können. Und das auch für die Versicherungsbranche enormes Potenzial birgt, sagt ERGO CDO Mark Klein.

Es gibt sie immer wieder: Innovationen, die so tiefgreifend sind, dass sie unsere Welt in ein „Davor“ und ein „Danach“ unterteilen. Die mehr sind als eine Evolution bestehender Technologien. Und die auch weit über die Disruption von Geschäftsmodellen hinausgehen, da sie tradierte Systeme nicht nur verändern, sondern völlig neue ermöglichen. Solche Entwicklungen nennt man „Sprunginnovationen“, da sie einen sprunghaften Fortschritt bringen und keine schrittweise Veränderung. Beispiele hierfür sind etwa der Buchdruck, die Elektrizität und das Internet. 

Ein Kernelement von Sprunginnovationen ist, dass sie nicht wirklich planbar sind. Ihre Häufigkeit kann variieren, da sie von vielen Faktoren abhängt – etwa der Branche, der technologischen Entwicklung oder der wirtschaftlichen Bedingungen. Doch wenn es einmal zu einer Sprunginnovation kommt, stiftet sie spürbaren Nutzen. Nicht nur für ihre Entwickler, sondern für die gesamte Gesellschaft. Denn Sprunginnovationen verändern die Welt nicht nur – sie verbessern sie. 

Das Metaverse – ein interoperables Ökosystem virtueller 3D-Welten

Viele dieser Faktoren gelten auch für das Metaverse, ein interoperables Ökosystem virtueller 3D-Welten. Hier gibt es keine Grenzen mehr zwischen Plattformen. Nutzerinnen und Nutzer können sich nahtlos zwischen digitalen Anwendungen bewegen – so als würden sie von einem Raum in den nächsten gehen. Digitale Güter lassen sich in dieser virtuellen Welt problemlos mitnehmen. Das Geschehen läuft hier in Echtzeit weiter, selbst wenn die User nicht mehr aktiv sind; das Metaverse ist damit synchron und dauerhaft. Es ist die nächste Stufe des Internets. Und macht aus einer zweidimensionalen Bildschirmvariante einen dreidimensionalen begehbaren Raum.

Technologisch betrachtet stehen hinter dem Metaverse vor allem Basistechnologien wie Virtual, Augmented oder Mixed Reality, Blockchain und Künstliche Intelligenz. Hierbei ist wichtig, dass das Metaverse nicht eine einzige Technologie ist, sondern ein Ökosystem aus Technologien. Erst deren Kombination lässt den immersiven und interaktiven Raum entstehen, in dem wir uns künftig bewegen werden. Und zu dem es bereits jetzt große Visionen gibt. 

Im Metaverse wird es keine räumlichen oder zeitlichen Grenzen mehr geben. Es wird eine voll funktionsfähige digitale Zweitwelt sein, in die wir künftig nicht nur Teile unseres sozialen Lebens verlegen werden, sondern auch unseres wertschöpfenden Interagierens.

Mark Klein, CDO ERGO Group AG

Neue Möglichkeiten der Kommunikation, Bildung oder Zusammenarbeit

So soll das Metaverse völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation, Bildung oder Zusammenarbeit schaffen. Es soll ein Ort sein, an dem Menschen einkaufen, zu Konzerten oder in Ausstellungen gehen. Industrieunternehmen können im „Industrial Metaverse“ kollaborativ und in Echtzeit an digitalisierten Produktionsprozessen arbeiten. Stadien wie das Etihad Stadium in Manchester werden digitale Zwillinge bekommen, um Zuschauern auch über Distanz ein spektakuläres Erlebnis zu ermöglichen. Im Metaverse wird es keine räumlichen oder zeitlichen Grenzen mehr geben. Es wird eine voll funktionsfähige digitale Zweitwelt sein, in die wir künftig nicht nur Teile unseres sozialen Lebens verlegen werden, sondern auch unseres wertschöpfenden Interagierens. Und das Potenzial dahinter ist immens. 

Laut McKinsey & Company soll das Geschäft mit dem Metaverse schon 2030 einen Wert von bis zu fünf Billionen US-Dollar erreichen. Davon soll E-Commerce mit 2,6 Billionen Dollar der größte wirtschaftliche Treiber sein, gefolgt von virtuellem Lernen mit 270 Milliarden Dollar, Werbung mit 206 Milliarden Dollar oder Gaming mit 125 Milliarden Dollar. Es gibt bereits heute große Finanzierungsrunden für Plattformen, die Metaverse-Erlebnisse oder -Dienstleistungen anbieten wollen. Von Mode-Firmen bis hin zu Energielieferanten lässt sich schon eine Vielzahl von Branchen beraten, wie sie das Metaverse künftig für sich nutzen können. Und zwischen Tech-Giganten wie Apple und Meta ist längst ein milliardenschweres Wettrennen entbrannt, wer zuerst seine Vision des Metaverse umsetzen wird. Die aktuellste Entwicklung hierbei war der Launch der Mixed-Reality-Brille Apple Vision Pro vor wenigen Wochen. 

Enorme Chancen für die Versicherungsbranche

Das Metaverse birgt also enorme Chancen, von denen auch die Versicherungsbranche profitieren kann. So gibt es für Versicherer viele Anwendungsfälle entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette, die sich hier umsetzen ließen. Im Bereich Produktmanagement etwa sind völlig neue Formen der Produktentwicklung und -konfiguration denkbar. Es könnten neue Produktkategorien entstehen, die auf die virtuelle Welt zugeschnitten sind. Etwa virtuelle Eigentumsversicherungen gegen den Verlust oder Diebstahl virtueller Güter im Metaverse. Es könnte Haftpflichtversicherungen für Entwickler virtueller Objekte geben oder für virtuelle Veranstaltungen – um nur ein paar Ideen zu nennen.  
 
Die Bereiche Marketing und Vertrieb könnten das Metaverse nutzen, um Versicherungsprodukte immersiv erlebbar zu machen. Was bisher eher abstrakt und theoretisch war, könnte durch das Metaverse anschaulich und erfahrbar gemacht werden. Etwa, wenn Kundinnen und Kunden potenzielle Risiken visualisiert bekommen, womit sich auch die Relevanz einer Absicherung nochmal anders vermitteln lässt. Das Metaverse bietet hier die Chancen einer innovativen Ansprache und eines immersiven Storytellings. 

Darüber hinaus könnte sich das Metaverse im Personalwesen für virtuelles Lernen und Schulungen nutzen lassen. Es ist ein Recruiting-Prozess denkbar, der sich nicht nur auf virtuelle Bewerbungsgespräche beschränkt, sondern auch digitale Job-Messen beinhaltet. Durch eine Präsenz im Metaverse könnten sich Versicherungsunternehmen bei der jungen und digital-affinen Zielgruppe positionieren, die über klassische Kommunikationskanäle kaum noch zu erreichen ist. Die aber die nächste Generation an möglichen Kunden und Mitarbeitern darstellt. 

Das Metaverse wird die Art und Weise, wie Versicherungsdienstleistungen in Zukunft angeboten, erlebt und verwaltet werden, grundlegend verändern.

Mark Klein, CDO ERGO Group AG

VR Anwendungsfälle bei ERGO

Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass das Metaverse eine Vielzahl von Möglichkeiten bietet, die von neuen Formen der Zusammenarbeit über neue Umsatzquellen, stärkere Kundenbindung, erfolgreichere Markenbildung bis hin zur Erschließung neuer Zielgruppen reicht. Bei ERGO beschäftigen wir uns deshalb schon seit Jahren intensiv damit, welche Anwendungsfälle es für uns als Unternehmen und als Versicherungsbranche im Metaverse geben kann. So haben wir bisher etwa eine VR Experience App umgesetzt, die es Kundinnen und Kunden erstmals ermöglicht, virtuell in ein Versicherungs-Szenario einzutauchen und zu diesem in Echtzeit beraten zu werden – inklusive möglichem Vertragsabschluss. Und: Wir haben bereits ein VR Sales Training für rund 500 Vertriebler pro Jahr ausgerollt, halten im Bereich Digitalisierung seit rund vier Jahren unsere Bereichsleitermeetings in Virtual Reality ab und haben auch schon zu internationalen Netzwerk-Events auf unserem eigenen digitalen Campus eingeladen. 

Es ist vollkommen klar, dass das, was wir bisher vom Metaverse sehen, nur Vorstufen sind. Dass es noch Zeit brauchen wird sowie weitere Hard- und Software, um aus dem Metaverse ein gesamthaptisches Erlebnis zu machen. Für echte Interoperabilität zwischen Plattformen bedarf es weiterer technologischer Standards. Die Basistechnologien hinter dem Metaverse müssen erst gesellschaftlich akzeptiert und etabliert werden. Und es werden natürlich rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen für den digitalen Raum benötigt sowie die notwendigen Investitionen in Anwendungsfälle und Devices.

Doch sich jetzt nicht schon aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, sondern abzuwarten, wäre der größte Fehler, den Unternehmen machen können. Denn nur, wer technologische Trends frühzeitig erkennt und versteht, kann sich proaktiv anpassen und sie für sich nutzen. Das Metaverse wird die Art und Weise, wie Versicherungsdienstleistungen in Zukunft angeboten, erlebt und verwaltet werden, grundlegend verändern. Es ist längst aus dem Hype Cycle heraus und kann jederzeit einen Sprung nach vorne machen. In diesem Fall wären Versicherer besser vorbereitet. Denn die Welt wird danach eine andere sein.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst beim Versicherungsmonitor erschienen.


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Autor: Mark Klein, CDO ERGO Group

Mark Klein ist seit 2016 der Chief Digital Officer von ERGO. Zuvor war er bei T-Mobile Netherlands. Seine Hauptaufgabe bei ERGO ist die digitale Transformation des traditionellen Geschäfts im In- und Ausland. Zudem etabliert er neue, digitale Geschäftsmodelle.

Mark Klein – Chief Digital Officer – ERGO Group

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