Einfach, weil's wichtig ist.
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Digitalisierung & Technologie, 03. August 2023
Ende Juli 2023 gingen die Bilder des brennenden Frachters Fremantle Highway um die Welt. An Bord fast 3.800 Neufahrzeuge, davon 498 Elektroautos. Was könnte den Brand ausgelöst haben? Und was bedeutet das Unglück für das Gefahrenpotenzial und den künftigen Transport von Elektro- und Hybridfahrzeugen? Ein Überblick über die aktuelle Studien- und Erkenntnislage von Sebastian Meerschiff, Mobilitätsexperte bei ERGO Mobility Solutions.
Eine Bergung des brennenden Frachters Fremantle Highway der japanischen Rederei Shōei Kisen schien lange Zeit ausgeschlossen – zu groß die Gefahr, dass das Schiff kentert. Am Montag wurde der Frachter dann aber doch – immer noch brennend – erfolgreich an einen vorrübergehenden Ankerplatz in ruhigeren Gewässern geschleppt, fernab der Schifffahrtsstraßen, 16 Kilometer nördlich der Inseln Schiermonnikoog und Ameland.
Was genau das Feuer an Bord ausgelöst hat, ist noch nicht geklärt. Erste Vermutungen gingen in die Richtung, dass es ein sogenannter Thermal Runaway gewesen sein könnte. Dabei handelt es sich um einen chemischen Prozess in der Batterie eines Elektrofahrzeugs. Binnen Millisekunden kommt es zu einem extremen Temperaturanstieg, die in der Batterie gespeicherte Energie wird freigesetzt und es kommt zu einer spontanen Selbstentzündung. Bei 4.000 dicht aneinander geparkten Fahrzeugen kann sich der Brand dann schnell ausbreiten.
Ob ein solcher Thermal Runaway tatsächlich Ursache des Brandes war, werden die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen müssen. Vor allem ist aber wichtig, die Situation sachlich wie auch holistisch zu betrachten. Denn in jüngerer Vergangenheit gab es immer wieder Situationen, in denen die vermeintliche Brandgefahr durch Elektrofahrzeuge öffentlichkeitswirksam diskutiert wurde.
So sank beispielsweise am 1. März 2022 die Felicity Ace rund 166 Kilometer südwestlich der Azoren. Beladen war sie mit zahlreichen Luxus-Fahrzeugen im Wert von rund 200 Mio. Euro. Da auch hier einige Elektrofahrzeuge und Plug-In Hybride mit an Bord waren, reagierten einige Redereien damit, ein generelles Transportverbot für Fahrzeuge mit elektrifiziertem Antrieb zu erlassen – ohne dass zuvor zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass ein elektrifiziertes Fahrzeug den Brand verursacht hatte.
Und nicht nur auf See, sondern auch „unter Tage“ wurden ähnliche Debatten in Bezug auf Elektrofahrzeuge schon geführt. So wollten die Stadt Kulmbach und einzelne Wohneigentümergemeinschaften verhindern, dass Elektrofahrzeuge aufgrund ihrer angeblichen Brandgefahr in Tiefgaragen parken dürfen. Im Fall der Wohneigentümergemeinschaft entschied das Amtsgericht Wiesbaden zu Gunsten der Elektroautobesitzer (Az. 92 C 2541/21), die Stadt Klumbach hingegen hob das Einfahrverbot freiwillig auf, nachdem die Feuerwehr mit speziellem Löschequipment ausgestattet wurde.
In einer im Juni 2023 von ERGO Mobility Solutions und der ERGO Kundenwerkstatt durchgeführten Studie gaben 20 Prozent der Befragten zudem an, dass ein Brand bzw. eine spontane Selbstentzündung zu ihren größten Befürchtungen in Bezug auf die Batterie eines Elektrofahrzeugs zählen.
Grundsätzlich fassen es alle Experten wie folgt zusammen: Die Brandgefahr durch Elektrofahrzeuge ist nicht größer als die durch Verbrenner – sie ist eher sogar geringer. Brennt ein Elektrofahrzeug allerdings erstmal, so brennt es „anders“, und es sind alternative Löschmethoden nötig.
Fahrzeugbrände sind in den vergangenen Jahren anspruchsvoller geworden – und zwar über alle Antriebsarten hinweg.
Im Allgemeinen gilt zunächst, dass Fahrzeugbrände in den letzten Jahren über alle Antriebsarten hinweg anspruchsvoller geworden sind. Grund dafür sei schlicht, dass deutlich mehr brennbare Stoffe verbaut werden – bei der Dämmung, den Reifen oder auch den Polstern, so der ADAC.
Ist es bei traditionellen Fahrzeugen neben diesen brennbaren Stoffen vor allem der Treibstoff, der einen Brand forciert, so sind es bei Elektrofahrzeugen thermische Reaktionen im Inneren des Akkus. Etwas vereinfacht erklärt passiert dabei Folgendes: Die Zelle überhitzt, dabei wird Sauerstoff freigesetzt, sodass das Gemisch selbständig in Brand gerät. Diese „Selbstversorgung“ mit Sauerstoff ist auch der Hauptgrund dafür, dass bei Elektrofahrzeugen andere Löschmethoden angewendet werden müssen.
Klassische Löschmethoden zielen darauf ab, dem Feuer den Sauerstoff zu entziehen. Dabei kann zum Beispiel ein spezieller Löschschaum zum Einsatz kommen. Unter Deck der Fremantle Highway war CO2 das Mittel der Wahl. Dieses sollte den Sauerstoff verdrängen und somit das Feuer ersticken. Bei brennenden Elektrofahrzeugen ist diese Methode jedoch wirkungslos.
Brennende Lithium-Ionen-Akkus werden primär mit Wasser gelöscht. Ziel ist es, das Fahrzeug so weit abzukühlen und die thermische Kettenreaktion, die von Zelle zu Zelle überspringt, zu unterbrechen. Dazu sind große Wassermengen nötig, nicht zuletzt auch, weil die Akkus – aus Sicherheitsgründen – so konstruiert sind, dass eigentlich kein Wasser von außen eindringen kann. Wichtig dabei ist, die Akkutemperatur stabil unter 80 Grad zu halten, andernfalls besteht die Gefahr, dass sich scheinbar bereits gelöschte Brände wieder neu entzünden.
Analog zu der Erprobung neuer Fahrzeug-, Batterie- und Lade-Technologien werden daher auch neue Löschmethoden für Elektrofahrzeuge erforscht – u.a. spezielle Löschdecken, Löschcontainer oder auch Löschdorne, mit denen das Akkugehäuse gezielt beschädigt wird, um einen stärkeren Wassereintritt in den Akku zu ermöglichen (Quelle: ADAC).
Auch wenn brennende Elektrofahrzeuge Neuland sein mögen, vertritt der Deutsche Feuerwehrverband klar die Position, dass aus diesen Bränden keine besondere Gefahr resultiert. „Aufgrund der aktuellen Berichterstattung in den verschiedensten Medien erscheint es wichtig zu betonen, dass auch Elektrofahrzeuge von den Einsatzkräften der Feuerwehr gelöscht werden können. […] Dies gestaltet sich unter Umständen etwas schwieriger als die Brandbekämpfung von herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen. Jedoch nicht komplexer oder gefahrbringender als etwa ein Brand eines gasbetriebenen Kfz. […]“
Doch brennen Elektrofahrzeuge jetzt wirklich häufiger als andere Arten? Aufgrund des großen öffentlichen Interesses haben sich mehrere Instanzen dieser Frage angenommen. Der ADAC schlussfolgerte 2022: „Aktuell gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Elektroautos mit oder ohne Unfalleinwirkung eher zum Brennen neigen als Autos mit Verbrennungsmotor.“
Auch wenn die aktuelle Studienlage keinen Nachweis dafür liefert, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen: Handlungsbedarf gibt es dennoch!
Auch die DEKRA äußerte sich bereits 2021: „Tatsache ist, dass nach unseren Erkenntnissen von E-Autos keine höhere Brandgefahr ausgeht als von konventionell angetriebenen Autos“. Bestätigt wird dies auch vom Verband der Automobilindustrie (VDA): „Elektrofahrzeuge stellen keine besondere Gefahr dar, das Brandrisiko bei einem Elektroauto ist nicht höher als bei einem Verbrenner.“
Analoge Stellungnahmen existieren auch vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV): „Elektroautos brennen nicht öfter als Verbrenner, aber sie brennen anders.“ Der GdV kritisiert ebenfalls die Entscheidung einiger Redereien, künftig keine Elektrofahrzeuge mehr transportieren zu wollen – und plädiert stattdessen für modernere Löschsysteme an Bord der Frachter.
Und auch der TÜV Nord äußerte sich bereits 2021. Anlass war die eingangs erwähnte Maßnahme der Stadt Kulmbach, Elektrofahrzeugen den Zugang zu Tiefgaragen zu verwehren. „Mediale Berichterstattung und reale Gegebenheiten klaffen hier stark auseinander. Pro Jahr brennen 15.000 Autos in Deutschland ab. Die allermeisten davon sind Verbrenner. Anders als bei E-Autos sind diese Brände aber meist keine Meldung wert. Tatsächlich haben besonders Benzinfahrzeuge, aber auch Diesel, ein deutlich höheres Brandrisiko aufgrund der technischen und physikalischen Gegebenheiten: Sie fahren mit einem brennbaren Flüssigkraftstoff, der zum Verdampfen neigt und explodieren kann. Tritt der Kraftstoff etwa aus einer undichten Benzinleitung aus, ist ein Brand vorprogrammiert. Im Übrigen soll auch in Kulmbach der Brand durch einen brennenden Benziner ausgelöst worden sein.“
Weiter bestärkt werden diese Stellungnahmen durch eine Studie des amerikanischen Versicherers AutoinsuranceEZ. Untersucht wurden aktuelle Daten, u. a. aus dem National Transportation Safety Board (NHSB) zu Fahrzeugbränden nach Kollisionen. Die Quote der Elektrofahrzeuge, die in Brand geraten sind, lag gerade mal bei 0,025 Prozent, wohingegen sie bei Verbrennern bei 1,5 Prozent lag. Am höchsten lag sie jedoch mit 3,5 Prozent bei Fahrzeugen mit Hybridantrieb.
Eine ähnliche Studie aus Schweden bestätigt diese Zahlen. Im Jahr 2022 gerieten insgesamt 23 Elektro-Pkw in Brand – aus verschiedensten Gründen. Das entspricht einer Quote von 0,004 Prozent – gemessen an der Gesamtzahl der in Schweden zugelassener Elektrofahrzeuge. Bei Verbrennern betrug die Quote 0,076 Prozent und war damit signifikant höher.
Auch wenn die aktuelle Studienlage keinen Nachweis dafür liefert, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als klassische Benziner- oder Diesel-Modelle, ist dies dennoch nicht gleichbedeutend damit, dass es keinen Handlungsbedarf gibt. Insbesondere muss auf die „Andersartigkeit“ der Brände reagiert werden. Dazu zählen die Installation geeigneter Löschmethoden oder auch die entsprechende Schulung von Feuerwehrpersonal.
Mit der Ausarbeitung eines holistischen Sicherheitskonzepts für RoRo-Schiffe (Schiffe, bei denen die Ladung auf das Schiff und vom Schiff runter gefahren wird) hat sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Albero“ (Transport alternativ betriebener Fahrzeuge auf RoRo-Fährschiffen) im Zeitraum von 2018 bis 2021 beschäftigt. Auf EU-Ebene wird dem Projekt LASH FIRE an neuen Brandschutzkonzepten für RoRo-Schiffe geforscht. „Ziel ist es, operative sowie konstruktionstechnische Lösungen zur Verbesserung der Brandprävention zu entwickeln und vorzuführen und eine bessere Brandbekämpfung auf allen RoRo-Schiffstypen sicherzustellen.“
Text: Sebastian Meerschiff
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