Sport & Gesundheit, 10. Oktober 2024

Was haben Zündkerzen mit Vorhofflimmern zu tun?

DKV-Chefin Frauke Fiegl im Gespräch mit Prof. Dr. Marc Horlitz

DKV-Chefin Frauke Fiegl im Gespräch mit Prof. Dr. Marc Horlitz

Frauke Fiegl, Vorstandsvorsitzende der DKV Deutsche Krankenversicherung AG und der ERGO Krankenversicherung AG, spricht im Interview mit Prof. Dr. Marc Horlitz, Chefarzt für Kardiologie, Elektrophysiologie und Rhythmologie am Krankenhaus Porz am Rhein über Herzgesundheit, Prävention und wie Wearables das frühzeitige Erkennen von Vorhofflimmern unterstützen können. Prof. Dr. Marc Horlitz ist einer unserer rund einhundert DKV Best Care Top-Experten, die unseren Best Care Versicherten bei schwerwiegenden Erkrankungen mit einer Zweitmeinung und ausführlichen Empfehlungen zur weiteren Behandlung zur Verfügung stehen.

Herr Prof. Horlitz, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns über das Thema Herzgesundheit und Prävention zu sprechen, das schnell mit Bluthochdruck, Atherosklerose und Herzinfarkt, assoziiert wird. Welche Rolle spielt dabei das Vorhofflimmern, das inzwischen eine rasant wachsende Zahl von Patienten betrifft?

Die Häufigkeit des Auftretens von Vorhofflimmern steigt mit den von Ihnen genannten Risikofaktoren. Etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland sind heute bereits davon betroffen. Die Zahl steigt jedes Jahr weiter an.

Was genau ist Vorhofflimmern?

Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, bei der der normale Herzrhythmus aus dem Takt gerät. Für einen regelmäßigen Herzschlag ist der sogenannte Sinusknoten verantwortlich, eine „gesunde Zündkerze“ im Herzen, die den Takt vorgibt. Die Abfolge der Herzschläge bestimmt den Herzrhythmus, der in der Fachsprache als Sinusrhythmus bezeichnet wird. Beim Vorhofflimmern gibt es zusätzliche „falsche Zündkerzen“, die im linken Vorhof des Herzens entstehen. Diese entwickeln sich durch Bindegewebe, das sich dort gebildet hat. Man kann den Prozess mit einem „Felsen im Meer“ vergleichen, an dem die Wellen brechen, so dass es zu Sprudelbildungen kommt. So ähnlich bricht die Reizleitung im Herzen am Bindegewebe, was zu Vorhofflimmern führt.

Ist jeder gleichermaßen von diesem Risiko betroffen?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind es genetische Faktoren, die das Risiko eines Vorhofflimmerns stark beeinflussen. Wir kennen aber die ganzen Gen-Orte zur Entstehung von Vorhofflimmern noch nicht in Gänze. Mit der Weiterentwicklung der genetischen Tests werden wir vermutlich irgendwann in der Lage sein, frühzeitig zu erkennen, wer ein erhöhtes Risiko hat. Weitere Risikofaktoren sind hoher Blutdruck oder das Schlafapnoe- Syndrom, bei dem es zu gefährlichen Atemaussetzern während des Schlafs kommt, so dass der Körper zu wenig Sauerstoff aufnehmen kann. Auch Entzündungen im Körper, die durch Diabetes, Infektionen, Lungen- oder Herzmuskelentzündungen entstehen, erhöhen das Risiko, dass sich zusätzliches Bindegewebe im linken Vorhof des Herzens bilden kann.

Leider gibt es nicht die eine Antwort auf die Frage, warum jemand an Vorhofflimmern erkrankt. Es gibt viele verschiedene Risikofaktoren – auch die Epigenetik spielt eine große Rolle, also Umweltfaktoren und Lebensstil wie zum  Beispiel Stress, die die Aktivität des vegetativen Nervensystems beeinflussen. All das kann dazu führen, dass es zur Bildung „falscher Zündkerzen“ kommt.

Das ist sehr interessant. Ich kann gut verstehen, warum Sie sich mit dem Thema intensiv beschäftigen.

Ja, auf jeden Fall. Das Thema Vorhofflimmern ist zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden!

Kommen wir zur nächsten Frage: Der Puls geht hoch, das Herz rast oder stolpert. Wie erkenne ich, ob es sich bei mir um Vorhofflimmern handelt? Kann man auch unbemerkt Vorhofflimmern haben?

Die Diagnose Vorhofflimmern kann nur durch ein EKG (Elektrokardiogramm) festgestellt und definiert werden. Es ist eine Untersuchungsmethode, bei der die elektrische Herzaktion gemessen wird. Wenn jemand am Handgelenk einen unregelmäßigen Puls fühlt, dann sollte er zum Arzt gehen, der durch ein EKG ganz einfach bestimmen kann, ob tatsächlich Vorhofflimmern vorliegt. Weitere Symptome können Luftnot, Leistungsschwäche oder Herzrasen sein. Circa 40 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern bemerken keinerlei Beschwerden. Und das ist die große Gefahr, denn bei Vorhofflimmern kann das Blut im linken Vorhof wie „Sahne geschlagen“ und somit zu Blutgerinnsel werden und dadurch Schlaganfälle auslösen. Deshalb ist das frühe Erkennen von Vorhofflimmern wichtig, weil die Betroffenen sehr schnell die Einnahme eines Blutverdünners brauchen, um einen Schlaganfall sicher zu verhindern.

Seit sehr vielen Jahren habe ich selbst eine Smartwatch und bin begeistert. Die EKGs, die man damit ableiten kann, sind so gut, dass der Arzt auf dieser Grundlage bis zu 99 Prozent sagen kann, ob Vorhofflimmern vorliegt oder nicht.

Prof. Dr. Marc Horlitz, Chefarzt für Kardiologie, Elektrophysiologie und Rhythmologie am Krankenhaus Porz am Rhein

Sie sagen, in vielen Fällen bleibt das Vorhofflimmern unbemerkt. Sind Devices wie Smartwatches oder andere Wearables nützliche Helfer?

Wearables werden zukünftig eine überragende Rolle in der Erkennung von Vorhofflimmern einnehmen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich schon jetzt mit der modernen Technik auseinanderzusetzen. Seit sehr vielen Jahren habe ich selbst eine Smartwatch und bin begeistert. Die EKGs, die man damit ableiten kann, sind so gut, dass der Arzt auf dieser Grundlage bis zu 99 Prozent sagen kann, ob Vorhofflimmern vorliegt oder nicht. Wearables sind eine ausgezeichnete Möglichkeit, Vorhofflimmern rechtzeitig zu erkennen.

Sie sind also nützlich, ein mögliches Vorhofflimmern zu erkennen und dann braucht man einen Fachmann bzw. eine Fachfrau.

Ganz genau, dann braucht man einen Arzt und schnell auch einen Blutverdünner, denn das Schlimmste, was durch Vorhofflimmern entstehen kann, ist der Schlaganfall, der durch rechtzeitiges Handeln verhindert werden kann.

Das führt zur nächsten Frage: Was ist zu tun, wenn der Verdacht auf Vorhofflimmern besteht, und welche Behandlungsmöglichkeiten kommen in Frage?

Der Verdacht muss untersucht werden. Vorhofflimmern besteht, wenn diese Rhythmusstörung mindestens 30 Sekunden anhält und auch mit dem EKG dokumentiert werden kann. In diesem Fall muss ein Blutverdünner eingenommen werden. Anhand eines Risiko-Scores wird die Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung eines Schlaganfalls ermittelt, das heißt die unterschiedlichen Risikofaktoren, wie zum Beispiel hoher Blutdruck, Diabetes und Alter werden bewertet und auf Grundlage dessen entschieden, ob der Patient lebenslang einen Blutverdünner nehmen muss. Zusätzlich kann durch einen Betablocker die Pulsfrequenz gesenkt werden. Die elektrische Kardioversion stellt den normalen Herzschlag wieder her. Abschließend wird mit dem Hausarzt, dem Kardiologen oder Elektrophysiologen die weitere Therapie besprochen.

Spezielle Vorhofflimmer-Zentren sind in der Lage, durch eine Katheterablation das Vorhofflimmern mit einer Erfolgsrate von 80 Prozent zu behandeln. Eine Katheterablation ist ein schonendes Verfahren, mit dem die „falschen Zündkerzen“ mit Kälte erfroren oder mit Hitze verödet werden. Entscheidend ist, dass früh abladiert wird. Somit sollte man nicht abwarten, bis das Vorhofflimmern chronifiziert, sondern früh das noch anfallsartige Vorhofflimmern mit einem Vereisungsballon ausschalten.

Was bedeutet ab und zu auftritt? Das heißt ein- oder zweimal im Jahr oder im Monat?

Das ist eine sehr wichtige Frage. Wenn ich Vorhofflimmern einmal in zwei Jahren habe, würde ich noch etwas zurückhaltend sein, ist es aber häufiger im Jahr, dann sollte abladiert werden, weil mit jedem weiteren Vorhofflimmern das Bindegewebe, der Auslöser des Vorhofflimmerns, weiterwachsen kann. Das ist wie „Unkraut im Beet“, das im Garten ständig wächst, wenn man es nicht rechtzeitig entfernt. Wenn am Herzen ein kritisches Maß an „Unkrautgewebe“ überschritten ist, wird eine Ablation nicht mehr erfolgreich sein. Wichtig ist somit das frühzeitige Gespräch mit dem Arzt, um den individuell besten Zeitpunkt für die Behandlung festzulegen.

Kann man Vorhofflimmern durch sinnvolle Maßnahmen verhindern?

Ja und nein. Also, die Genetik kann man nicht überwinden, aber man kann vieles tun, die Wahrscheinlichkeit zu verringern, Vorhofflimmern zu bekommen. Ich empfehle, alles zu tun, um die bekannten Risikofaktoren für Herz- und Gefäßerkrankungen zu verhindern. Dazu gehört, regelmäßig Blutdruck und Blutzucker zu messen. Und natürlich hilft viel Bewegung und die Ernährung auf eine mediterrane Kost umzustellen, um fit und schlank zu bleiben bzw. zu werden. Wie schon erwähnt, macht es Sinn, ab und zu den Puls am Handgelenk zu tasten, um zu überprüfen, ob der Herzschlag regelmäßig ist. Wenn ein Vorhofflimmern diagnostiziert wird, ist das heute aber auch kein Drama mehr. Vor 20 Jahren war die Ablation noch in der Experimentierphase. Das sieht heute ganz anders aus. In den großen Herzzentren kann mittlerweile mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 80 Prozent das Vorhofflimmern durch die Ablation erfolgreich behandeln. Die Ablation dauert etwa eine Stunde, der Patient schläft dabei, bleibt eine Nacht im Krankenhaus und kann am nächsten Tag wieder entlassen werden. Die Patienten sollten darauf achten, dass es sich um ein von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zertifiziertes Vorhofflimmer-Zentrum handelt. Das Krankenhaus Porz am Rhein in Köln ist schon lange zertifiziert. Wir waren einer der ersten Krankenhäuser im Rheinland und ich habe die Prüfung zur Zertifizierung als extrem herausfordernd empfunden, weil wirklich alles auf den Prüfstand gestellt wurde. Daher kann sich der Patient eines zertifizierten Vorhofflimmer-Zentrums auch wirklich sicher sein, dass dort die Ablation nach höchsten Qualitätsstandards erfolgt.

Letzte Frage: Was ist Ihr „Nummer eins“-Ratschlag aus ärztlicher Sicht für unsere Versicherten?

Bewegung, gesunde Ernährung und eine positive Lebenseinstellung – die beste Prävention für ein gesundes Leben.

Vielen Dank für den interessanten Einblick in das Thema Vorhofflimmern und Ihre Tipps, damit die Herzen unserer Versicherten gesund bleiben.


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