Nachhaltigkeit & Engagement, 05. April 2024

„Es gibt keinen Müll, nur Ressourcen am falschen Ort“

Start-up Dowmann nimmt am Carbon Removal ClimAccelerator Programm teil

Dowmann Team Robert Dowdall (Mitte) mit seinen Kollegen Paul Manning (links) und Cathal Moroney (rechts)

Dowmann ist ein Start-up aus Irland, das Biokohle herstellt. Das Team arbeitet mit verschiedenen Biomasseabfällen und versucht, diese in ihre wertvollsten Bestandteile zu trennen. Unser Kolumnist Markus Sekulla sprach mit dem technischen Direktor Robert Dowdall. Dowmann nimmt am Carbon Removal ClimAccelerator Programm des EIT Climate-KIC teil, das von Munich Re und ERGO unterstützt wird.

Hallo Robert, wer bist du und was macht Dowmann?

Ich bin Robert Dowdall, der Technische Direktor von Dowmann. Ich kümmere mich um unsere technischen Aspekte, die für das reibungslose Funktionieren erforderlich sind. Bei Dowmann produzieren wir Biokohle und entfernen dabei CO2 aus der Atmosphäre. Wir arbeiten mit verschiedenen Abfallbiomassen, um sie in ihre wertvollsten Bestandteile zu splitten. Durch unsere Prozesse wandeln wir die Biomasse neben Biokohle auch in Bioöl und sogar nützliche Biochemikalien um. Darüber hinaus erzeugen wir erneuerbaren Strom, der dem örtlichen Netz zum gesellschaftlichen Nutzen zugeführt wird.

Wie viele Mitarbeiter seid ihr und von wo aus arbeitet ihr?

Wir sind zu dritt bei Dowmann, einschließlich mir in Vollzeit. Zusätzlich haben wir zwei Remote-Mitarbeiter, die bei Bedarf unterstützen. Wir haben eine sehr schlanke Betriebsstruktur. Geografisch ist unser Team ganz über Irland verteilt. Ich bin in Carlow ansässig, während Paul Manning, unser Commercial Director, aus Dublin arbeitet. Cathal Moroney, unser Financial Director, wohnt in Cork. Diese dezentrale Struktur hat sich für uns bewährt und trägt auch dazu bei, unseren eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

Aus unserer Sicht gibt es keinen Abfall, sondern nur Ressourcen am falschen Ort. Wir versuchen, das Beste aus diesem Abfall zu machen, indem wir ihn in wertvolle Materialien oder neue Produkte umwandeln.

Robert Dowdall, technischer Direktor von Dowmann

Könntest du uns mit einfachen Worten beschreiben, was Dowmann tut?

Klar, gerne! Biomasse sind die Pflanzen, die um uns herum wachsen. Wenn diese Pflanzen geerntet oder zu Abfall werden, werden sie oft einfach liegengelassen, ohne weitere Verwendung oder Nutzen. Das ist schade, denn Biomasse enthält viele nützliche Bausteine (wie LEGO), die clever wiederverwendet werden könnten, um noch coolere Sachen herzustellen, die die Gesellschaft braucht. Das ist es, was Dowmann macht: Wir trennen die Biomasse-LEGOs und organisieren die Blöcke, um sie für andere Zwecke zu nutzen.

Aus unserer Sicht gibt es keinen Abfall, sondern nur Ressourcen am falschen Ort. Wir versuchen, das Beste aus diesem Abfall zu machen, indem wir ihn in wertvolle Materialien oder neue Produkte umwandeln.

Wie kann ich mir das vorstellen? Habt ihr eine Fabrik oder eine Maschine, in die Biomasse eingebracht wird und aus der Biokohle herauskommt?

Genau. Unsere Lösung ist eine Fabrik. Die Abfallbiomasse wird zu unserer Fabrik gebracht, wo wir sie mit unserer Maschinerie verarbeiten. Die Biomasse wird abgebaut und dann in mehrere verschiedene Produkte getrennt, von denen jedes seine eigene spezifische Verwendung hat. Eines dieser Produkte ist Biokohle, die eine unglaublich stabile Form der Kohlenstoffspeicherung ist und dazu verwendet werden kann, degradierte Böden zu verbessern oder Beton zu decarbonisieren. Ein weiteres Produkt ist ein erneuerbares Öl, das in schweren Industriekesseln als alternativer Brennstoff verwendet werden kann. Derzeit verwenden diese Kessel Kohle, Öl und manchmal Gas. In Zukunft sehen wir Möglichkeiten, das Öl weiter zu verfeinern und Biochemikalien zu extrahieren. Wir haben bereits bedeutende Fortschritte gemacht, um dies durch große Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsunterstützung von der Sustainable Energy Authority of Ireland zu verwirklichen.

Wichtig hier zu erwähnen, dass jede Dowmann-Fabrik hundert Prozent ihres eigenen Energiebedarfs decken und sogar überschüssige Energie ins lokale Stromnetz einspeisen wird. Dies ist möglich, weil wir unser Synthesegas produzieren und es direkt in einem vor Ort befindlichen Blockheizkraftwerk verwenden. Das bedeutet, dass jede Dowmann-Fabrik mit erneuerbarer Energie als Standard ausgestattet ist und uns von anderen Unternehmen für die Entfernung von Kohlendioxid (CDR) unterscheidet. CDR kann je nach Ansatz sehr energieintensiv sein. Um maximal positive Auswirkungen zu erzielen, muss diese Energie auch aus erneuerbaren Quellen stammen.

Ja, wir brauchen mehr Kohlenstoffentfernung, aber wir müssen auch unseren übermäßigen Energieverbrauch als Weltgemeinschaft reduzieren.

Robert Dowdall, technischer Direktor von Dowmann

Kannst du den Moment beschreiben, als ihr wusstet, dass eure Idee der Start einer Firma sein muss? 

Unternehmertum lag schon immer in unserem Blut. Wir haben in der Vergangenheit mehrere Unternehmen gegründet, also ist dies nicht unser erstes Unternehmen. Wir hatten bereits im Jahr 2017 eine ähnliche Lösung, von der wir wussten, dass sie funktionieren würde, aber zu dieser Zeit gab es keinen Markt. Das änderte sich 2019, als wir auf Puro.earth stießen, das einen Marktplatz für den Verkauf von Kohlenstoffentfernungs-Zertifikaten etabliert hatte. Und der Markt entwickelte sich schnell. In der COVID Zeit haben wir uns auf Forschung und Entwicklung konzentriert. Jetzt entwickeln wir unser modulares System der zweiten Generation, das es uns ermöglichen wird, schnell und effizient zu skalieren. Wir hatten immer die Einstellung, unseren eigenen Weg zu gehen und einen positiven Beitrag zu leisten, sei es im Umwelt- oder Sozialbereich.

Was ist euer wichtigstes Ziel für 2024?

Der wichtigste Meilenstein ist die Inbetriebnahme unseres Systems der zweiten Generation, das aus einem Modul von mehreren Teilen besteht, die für das größere kommerzielle System kombiniert werden. Sobald es betriebsbereit ist, markiert es einen entscheidenden Demonstrations-Meilenstein, der zu technischen und kommerziellen Fortschritten führt. Wir haben Partnerschaften für verschiedene Produkte, die Industrieversuche ermöglichen und unsere Marktzugangswege sichern.

Ein weiterer Meilenstein besteht darin, dass unser System von einem renommierten Auditor für Kohlenstoffentfernung auditiert und zertifiziert wird. Diese Zertifizierung wird es uns ermöglichen, unsere erste zertifizierte Tonne Kohlenstoffentfernung zu verkaufen. Anschließend, mit soliden Zahlen bewaffnet, werden wir Projektfinanzierung für unsere Großanlage suchen. Sobald diese gesichert ist, wird die Inbetriebnahme der gesamten Fabrik voraussichtlich etwa sechs Monate dauern.

Der weltweite Bedarf an Kohlenstoffentfernung beträgt zehn Gigatonnen pro Jahr. Wo stehen wir deiner Meinung nach jetzt? Sind wir auf einer exponentiell steigenden Kurve oder ist der Fortschritt zu langsam?

Der Fortschritt könnte sicherlich schneller sein, denn es gibt immer Raum für Verbesserungen. Viele wesentliche Mechanismen nehmen gerade erst Gestalt an. Zum Beispiel investiert die USA in CDR (Carbon Dioxide Removal), während die EU Rahmenbedingungen wie das CRCF (Carbon Removal Certification Framework) entwickelt. Diese Initiativen legen den Grundstein mit Regulierungen, Standards und Überwachungsprotokollen. Sobald erstmal diese Strukturen vorhanden sind, erwarte ich eine Beschleunigung des Fortschritts. Darüber hinaus befinden sich viele CDR-Anbieter noch in der Entwicklungsphase oder sichern die Finanzierung für den Einsatz. Obwohl es einen Anstieg neuer Unternehmen gegeben hat, sind diese noch nicht vollständig in den Markt eingetreten. Daher ist das globale Angebot an CDR relativ gering. Noch.

Noch ein Tipp: Websites wie cdr.fyi bieten Einblicke in das Volumen der Kohlenstoffentfernungsankäufe, die bisher von einer Handvoll großer Akteure dominiert wurden, insbesondere von Microsoft. Wir brauchen mehr Käufer. Und man darf nicht vergessen, dass der Bau physischer Infrastruktur Zeit braucht, da wird in den nächsten Jahren viel entstehen.

Eine meiner Lieblingsfragen an Start-up-Gründer lautet: Ist das Glas im Kampf gegen die Klimakrise halb voll oder ist es halb leer? Können wir es als menschliche Gemeinschaft noch schaffen oder befinden wir uns im Verzweiflungsmodus?

Ich glaube nicht, dass wir uns im Verzweiflungsmodus befinden, aber ich würde sagen, dass das Glas wahrscheinlich doppelt so groß ist, wie es sein müsste. Ja, wir brauchen mehr Kohlenstoffentfernung, aber wir müssen auch unseren übermäßigen Energieverbrauch als Weltgemeinschaft reduzieren. Es gibt erhebliche Energieeffizienzgewinne, die einfach dadurch erzielt werden können, dass wir klüger mit unserem Verbrauch umgehen. Zum Beispiel lassen kommerzielle Gebäude oft unnötig Lichter nach Feierabend an, was nur ein Beispiel von vielen kleinen Veränderungen ist, die sich im Laufe der Zeit summieren können.

Welche anderen „klugen“ Änderungen siehst du?

Der Schlüssel ist, dass wir klügere Entscheidungen darüber treffen, welche Arten von Energie wir verwenden. Die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Stromnetz ist entscheidend, und dieser Übergang ist bereits im Gange. Auch wenn das Glas jetzt vielleicht voll erscheint, könnten wir wahrscheinlich genauso bequem mit einem kleineren Glas leben. Dies würde es CDR-Unternehmen erleichtern, die Lücke zu schließen und überschüssige Emissionen mithilfe überschüssiger Elektrizität zu entfernen. Trotz der aktuellen Annahmen über reichlich vorhandene Energie gibt es ein enormes Potenzial für Effizienzverbesserungen, insbesondere im Verkehrssektor. Der Aufbau besserer Infrastrukturen für effizientere öffentliche Verkehrsmittel könnte den Energieverbrauch erheblich reduzieren.

Das menschliche Verhalten kann schneller als die Infrastrukturänderungen geändert werden.

Wir haben die Technologie und das Fachwissen, um diese Änderungen vorzunehmen. Was wir brauchen, ist der Ehrgeiz und der Wille, zu handeln. Es gibt viele kluge Ingenieure und Fachleute, die bereit sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen, wenn sie die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize erhalten.

Vielen Dank, Robert, für deine Zeit und deinen Einsatz für unseren Planeten.


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Autor: Markus Sekulla, Digitalberater

Hi, ich bin Markus. Ich bin freiberuflicher Unternehmensberater im Bereich Kreative/Digitale Kommunikation. Ich befasse mich in der nicht immer trennscharfen Frei- und Arbeitszeit am liebsten mit New Work, Trends, Gadgets und zukunftsfähigen Ideen. In der richtigen Freizeit bin ich ein ziemlicher Gesundheitsfreak: eat, run, sleep, repeat.

Markus Sekulla  – Freiberuflicher Digitalberater

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