Einfach, weil's wichtig ist.
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Nachhaltigkeit & Engagement, 15. März 2024
Schlechte Umweltverträglichkeit von Düngemitteln, Überdüngung und zu hohe CO2-Werte in der Luft tragen erheblich zur aktuellen Umweltkrise bei. Unser Kolumnist Markus Sekulla war nach dem Gespräch mit Max Billinger von Point2Hectare umso beeindruckter, da das Start-up Lösungsansätze für alle drei Probleme bieten könnte. Point2Hectare nimmt an dem Carbon Removal ClimAccelerator Programm von EIT Climate-KIC teil, das von Munich Re und ERGO unterstützt wird.
Hallo Max, bitte stell dich uns vor. Wer bist du und was macht Point2Hectare?
Ich bin Max Billinger, einer der Gründer und CEO von Point2Hectare. Wir bewegen uns im Agritech-Bereich. Unsere Basis-Technologie ist angereicherte Biokohle und wir möchten das volle Potenzial von Biokohle zur Bodenverbesserung nutzen.
Kurz zu mir: Für den Großteil meines beruflichen Lebens habe ich verschiedene Führungspositionen inne gehabt. In der nächsten Phase meiner Karriere möchte ich meine Erfahrung zum Wohl unseres Planeten in die Waagschale legen.
Wir möchten das volle Potenzial von Biokohle nutzen.
Wie viele Mitarbeiter hat Point2Hectare im Moment?
Derzeit sind wir drei Gründer das gesamte Team. Diana Smite ist in Riga ansässig. Sie ist für Marketing und den Aufbau von Partnerschaften verantwortlich. Außerdem leitet sie den Bereich Nachhaltigkeit. Jan Mumme, den wir unseren Biokohle-Zauberer nennen, hat viel Erfahrung in diesem Bereich und ist bereits zum zweiten Mal Gründer. Jan lebt in Potsdam. Ich wohne in Berlin.
Bis zum Ende dieses Jahres planen wir, unser Team um einige Schlüsselpositionen in der Forschung und/oder im technischen Team zu erweitern.
Kannst du mir erklären, was Point2Hectare macht?
Wenn man ein Streichholz anzündet, wird zuerst Energie in Form einer großen Flamme freigesetzt und dann fängt das Streichholz an zu verbrennen. Das Holz wird schwarz, das ist Kohle. Wenn man es weiter verbrennt, sieht man, dass diese schwarze Kohle zu Asche wird. Das Holz wird in einem Prozess namens Pyrolyse zu Kohle, und das passiert, wenn Sauerstoff ausgeschlossen wird.
Auf industrieller Ebene müssen wir den Prozess stoppen, bevor sich Kohle in Asche verwandelt. Was wir wollen, ist die Biokohle in ihrer stabilen Form.
Pflanzen nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf, binden es als Kohlenstoff in der Pflanze. Und im Pyrolyseprozess binden wir diesen Kohlenstoff dauerhaft in der Biokohle. Das ist eine großartige Möglichkeit, nicht nur unsere Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, sondern den Kohlenstoff tatsächlich dauerhaft zu binden und einzusperren.
Der entscheidende nächste Schritt besteht darin, den dauerhaften Einschluss der Biokohle im Boden sicherzustellen, um das Risiko einer möglichen Verbrennung und Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre zu vermeiden.
Was ist eurer bevorzugtes Einsatzgebiet für die Biokohle?
Unser Fokus bei Point2Hectare liegt darauf, sie in die Landwirtschaft einzubringen. In der Landwirtschaft hat Biokohle großes Potenzial als Bodenverbesserungsmittel und führt im Laufe der Zeit zu sehr fruchtbarem Boden. Es erfordert jedoch technologische Intervention, um sicherzustellen, dass Biokohle effektiv als Bodenverbesserungsmittel wirkt.
Hier kommt unsere Technologie ins Spiel. Der Prozess umfasst das Einfangen und Anreichern von Nährstoffen in die Biokohle, die dann von Pflanzen auf dem Feld aufgenommen werden. Obwohl das Konzept einfach erscheinen mag, enthält der tatsächliche Prozess komplexe Mechanismen für die Aufnahme und Freisetzung von Nährstoffen.
Speziell entwickelt Point2Hectare Next-Generation-Dünger mit dem Schwerpunkt auf Urea. Urea ist ein weit verbreitetes Düngemittel, das aber nachteilige Umweltauswirkungen hat. Etwa 50 Prozent des Stickstoffs in herkömmlichem Urea gehen normalerweise verloren und tragen zu schädlichen Emissionen bei.
Durch die Integration von Biokohle in Urea optimieren sich die chemischen und physikalischen Prozesse für die Stickstoffversorgung von Pflanzen und überwinden die Ineffizienzen und Umweltnachteile herkömmlicher Urea-Dünger. Diese Vorgehensweise verbessert nicht nur die Effizienz von Düngemitteln für Landwirte, sondern mindert auch Treibhausgasemissionen.
Welche Pläne habt ihr, euer Geschäft auszubauen?
Zunächst haben wir ein Patent für unseren grünen Dünger namens NitroChar gesichert. Der nächste Schritt ist die gründliche Validierung unserer Annahmen durch Gewächshaus- und Feldversuche, um die praktischen Aspekte besser zu verstehen.
Wir haben das Glück, den größten Stickstoffdünger-Hersteller in Deutschland als Hauptkunden zu haben. Dort ist man von dem Potenzial von Biokohle fasziniert. Gleichzeitig forschen wir natürlich weiter. Unser Patent deckt auch den Herstellungsprozess von NitroChar ab, indem es in die Herstellung mineralischer Düngemittel integriert wird.
In der zweiten Phase werden wir das Skalierungspotenzial erkunden und auf eine Produktion in großem Umfang abzielen. Unser Geschäftsmodell basiert auf Lizenzierung, wir produzieren den Dünger nicht selbst. Stattdessen lizenzieren Düngerunternehmen unsere Technologie und wir erhalten Lizenzgebühren für jede produzierte Einheit.
Und wie gefühlt jedes Start-up benötigen auch wir Finanzierung. Wir arbeiten mit Risikokapitalgebern, Business Angels und Partnern wie EIT Climate-KIC zusammen, um die richtigen Investoren zu finden.
Was denkst du sind die Herausforderungen, mit denen grüne Technologieunternehmen oder Start-ups derzeit konfrontiert sind?
Aus meiner eigenen Erfahrung bei der Suche nach Investoren liegt die Herausforderung in fehlender Unterstützung in der Frühphase, wenn das Risiko am höchsten ist. Das Feedback anderer Start-ups bestätigt diese Einschätzung – die potentiellen Investoren möchten bereits größere Fortschritte sehen, aber die Start-ups benötigen sofortige Finanzierung.
Die zweite Herausforderung ist die Fördermittelakquise. Anträge auf Fördermittel sind komplex und es ist schwierig, langfristige Unterstützung zu erhalten. Europäische Staaten könnten ihre Unterstützung verbessern, indem sie die Antragsprozesse für Fördermittel vereinfachen. Obwohl zahlreiche Finanzierungsprogramme für Start-ups existieren, erfordern sie oft Eigenmittel vom Start-up.
Auch die fehlende Start-up-Kultur an europäischen Universitäten ist ein Problem. In Großbritannien und in den USA sind 15 bis 20 Prozent der Doktoranden an Start-ups beteiligt, während es in Deutschland nur 1,5 Prozent sind. Die Überführung von Universitätsforschung in tragfähige Unternehmen steht noch ganz am Anfang.
Sind wir deiner Meinung nach noch in der Lage, den Klimawandel zu stoppen?
Ich bin absolut sicher, dass wir mit Verhaltensänderungen und neuen Technologien, die uns zur Verfügung stehen, eine lebenswerte Erde für uns und zukünftige Generationen erhalten können.
Die allermeisten Menschen , einschließlich Politiker und Entscheidungsträger, erkennen die Herausforderung an und haben die Dringlichkeit begriffen. Ich bleibe optimistisch, dass wir die Technologie und den gemeinsamen Willen besitzen, noch rechtzeitig auf den Klimanotstand zu reagieren.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
Interview: Markus Sekulla
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